Die "Aktion 1005"

Triggerwarnung: Diese Ausstellungsseite befasst sich explizit mit der Ermordung von Menschen und könnte verstörend auf Besucher:innen wirken.

Die Exhumierung von Massengräbern im und um den Vernichtungsort Maly Trascjanec durch das „Sonderkommando 1005", lässt sich als neue Phase des Transformationsprozesses festhalten. Die Exhumierung der Massengräber und die anschließende Verbrennung der Überreste der Opfer von nationalsozialistischen Gewalttaten in Maly Trascjanec war eine systematische Spurenverwischung dieser Taten.

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Aussage von Adolf Rübe zu den verwendeten Gaswagen

Während der fortlaufenden Deportationen von jüdischen Personen aus Deutschland, Österreich und der Tschechoslowakei nach Minsk wurden 1942 mindestens 15.399 Personen in das SD-Lager Maly Trascjanec gebracht. Bei ihrer Ankunft im Vernichtungslager wurden die meisten Menschen im Wald Blahaǔščyna an bereits ausgehobenen Massengräbern getötet, die später zugeschüttet und durch Äste getarnt wurden.1 Die Ermordung jüdischer Menschen bekam mit dem Einsatz von Gaswagen Anfang Juni 1942 eine neue Dynamik. Die Täter zielten nicht mehr mit ihren eigenen Waffen auf unschuldige Menschen um sie zu töten, sondern sie pferchten 60 bis 100 Menschen – abhängig von der Größe des LKWs – auf die Ladefläche der sogenannten „Sonderwagen“, in denen durch einen Schlauch die Auspuffgase des Motors in das Innere des geschlossenen Raumes strömten. Die Menschen erstickten qualvoll.2 Durch den Einsatz der mobilen Gaskammern beschleunigten sich die Massenmorde und die Anzahl an Leichen wuchs exponentiell. Nach dem Sieg der Roten Armee bei Stalingrad Anfang 1943 wurde den deutschen Besatzern klar: Sie mussten ihre Spuren verwischen, um im Falle eines Kriegsprozesses keine belastenden Beweise zu hinterlassen.

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SS-Standartenführer Paul Blobel

SS-Standartenführer Paul Blobel war der Organisator und Leiter der sogenannten "Aktion 1005". Blobels Aufgabe war es, zusammen mit einem Arbeitskommando alle Massengräber zu öffnen, die Leichen zu exhumieren und sie zu verbrennen. Nach der Verbrennung der Leichen, mussten die Gruben wieder zugeschüttet werden – als hätte es nie Massengräber gegeben.3

Die Organisation und Aufstellung des "Sonderkommandos 1005" wurde an SS-Hauptsturmführer Arthur Harder übergeben. Harder beschaffte die benötigten Materialien sowie Maschinen und beendete die Vorbereitungen am 27. Oktober 1943.4

Ausschnitt aus den Prozessakten von der Befragung von Adolf Rübe zur Enterdungsaktion

Ausschnitt aus der Vernehmung mit Adolf Rübe

Das Personal für das Sonderkommando setzte sich aus Angestellten des BdS (Befehlshaber der Sicherheitspolizei und des Sicherheitsdienstes) und der Dienststelle KdS (Kommandeure der Sicherheitspolizei) in Minsk zusammen. Außerdem wurden ungefähr 40 rumänische und ungarische Männer aus der „Volksdeutschen“-Kompanie rekrutiert. Über den Inhalt ihrer Arbeit wurden die Männer bei ihrer Ankunft informiert, allerdings wurde ihnen verschwiegen, woher die Leichen wirklich stammen. Durch eine Unterschrift verpflichteten sie sich zur Verschwiegenheit selbst gegenüber ihren Frauen und Familien.5

Revieroberleutnant Otto Hugo Goldapp

Otto Goldapp

"Bei Aufnahme ihrer Tätigkeit im Sonderkommando erklärte Goldapp den Angehörigen der Schutzpolizei in einer Ansprache, es handele sich bei den Leichen um Juden, die bei dem Vormarsch 1941/42 erschossen worden seien und jetzt verbrannt werden müßten, weil sie nicht wert seien, den 'deutschen Boden zu beschmutzen'. Im Kommando war man sich auch allgemein darüber klar, daß die Grabstellen beseitigt wurden, um die Spuren der Massentötung zu verwischen, bevor die sowjetischen Truppen auf sie stießen."6

Für die Öffnung der Gräber wurden 100 russische Kriegsgefangene aus einem Minsker Arbeitslager geholt, denen versprochen wurde, dass sie nach erledigter Arbeit freigelassen werden würden. Die Arbeiter öffneten die Gräber, hievten die Leichen aus den Massengräbern und schichteten sie auf Scheiterhaufen. Für das Errichten der Scheiterhaufen wurden Bäume gefällt, wodurch eine gerodete Stelle im sonst dichten Wald entstand. Die Arbeit verrichteten die Arbeiter unter strenger Überwachung durch Angehörige des SD dazu aufforderten, schnell zu arbeiten. Nach dem Abbrennen der Scheiterhaufen durchsiebten die Arbeiter auf Anweisung der Besatzer die Asche, um nach Wertgegenständen zu suchen, etwa Zahngold, und zermahlten übriggebliebene Knochen. Aufgrund der Partisanenangriffe und um spurenlos morden zu können wurde anstelle von Blahaǔščyna fortan das an der westlichen Grenze des Lagers befindliche Waldstück Šaškoǔka als Hauptexekutionsort verwendet.

Inhaltlich verantwortlich: Rukia Soubbotina

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1 Vgl. Rentrop, Tatorte der "Endlösung", S.207.

2 Vgl. Kohl, Das Vernichtungslager Trostenez, S.14.

3 Vgl. ebd., S.16.

4 Vgl. Angrick, Aktion 1005, S.567.

5 Vgl. ebd., S. 567f.

6 141 Js 204/60, Band 35, Urteil S.48, zitiert nach Hoffmann, S. 177.