Die Untersuchung durch die ČGK

Triggerwarnung: Diese Ausstellungsseite befasst sich explizit mit der Ermordung von Menschen und könnte verstörend auf Besucher:innen wirken.

Ungefähr zwei Wochen nachdem die Rote Armee Minsk befreit hatte, nahm am 14. Juli 1944 die Außerordentliche Staatliche Kommission der Sowjetunion (ČGK) ihre Arbeit in und um Maly Trascjanec auf. Sie fand einen nahezu vollkommen zerstörten Ort vor; mit ihrer Untersuchung veränderte sie ihn zum letzten Mal, bevor er als Vernichtungsort zunächst in Vergessenheit geriet.

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Mitglieder der Außerordentlichen Staatlichen Kommission befragen eine Dorfbewohnerin

Die Außerordentliche Staatliche Kommission bewegte sich dicht hinter der Roten Armee, die die deutschen Truppen immer weiter in Richtung Westen drängte. Ihre Aufgabe war es, Spuren aus der deutschen Besatzungszeit zu sichern und Beweise für die massenhafte Ermordung von Menschen zu sammeln.1 Die ČGK begann die Untersuchung bei Maly Trascjanec am 14. Juli 1944 und ging dabei in mehreren Etappen vor: Zunächst untersuchte sie die Scheune auf dem Gelände des Lagers, anschließend das provisorische Krematorium bei Šaškoǔka und zum Schluss die Waldlichtung bei Blahaǔščyna. Das Lagergelände selbst wurde kaum untersucht und fand auch im Protokoll der Kommission nur eine kurze Erwähnung: Es sei mit einem dreifachen Stacheldrahtzaun umschlossen gewesen, der unter Strom stand.

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Die Untersuchung des provisorischen Krematoriums bei Šaškoǔka

Bei der niedergebrannten Scheune fand die Kommission neben tausenden verkohlten Leichen auch die Überreste verbrannter Kleidung und diverse Alltagsgegenstände.3

Nach der Untersuchung der Scheune und des Lagergeländes begann die ČGK mit der Begehung des provisorischen Krematoriums bei Šaškoǔka. Es war von den deutschen Truppen mit Sand zugeschüttet worden. In unmittelbarer Umgebung fand die Kommission eine größere Menge Teer, Projektilhülsen und die Reste von Brandgranaten.4 Sie waren offenbar genutzt worden, um die Verbrennung tausender Menschen zu beschleunigen. 

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Skizze der Waldlichtung bei Blahaǔščyna aus dem Juli 1944

Bei der abschließenden Untersuchung der Waldlichtung bei Blahaǔščyna hob die ČGK insgesamt fünf der mutmaßlich 34 Gruben aus auch hier fand sie trotz der „Aktion 1005“ Spuren der Massenermordungen.5 Danach wurden die Gräber wieder zugeschüttet. In der Skizze, die die ČGK von Blahaǔščyna anfertigte, ist der gerodete Wald rund um die Lichtung zu sehen – eine Folge des Bedarfs an Brennmaterial während der Vertuschungsaktion "1005" und anschließend im Wald Šaškoǔka.

Bei ihrer Begehung hielt die ČGK fest, dass es sich bei den in Maly Trascjanec ermordeten Menschen um Sowjetbürger:innen handele; entweder war ihr nicht klar, dass gerade Blahaǔščyna ein Schauplatz des Holocausts war, oder sie blendete diese Dimension aus.6

Mit ihrer Untersuchung veränderte die ČGK die Topografie des Vernichtungskomplexes Maly Trascjanec. Insbesondere die Freilegung des Krematoriums bei Šaškoǔka und die Aushebung der Massengräber bei Blahaǔščyna verformten den Ort. Zahlreiche Fotografien und Kartenmaterial dokumentieren die Veränderung des Ortes zum Zwecke der Spurensicherung. Die Skizze der ČGK von Blahaǔščyna  prägt bis heute unser Bild von Maly Trascjanec und der Massenmorde: Sie wurde in jüngster Zeit zur Vorlage für den Bau einer Erinnerungsanlage

Inhaltlich verantwortlich: Tatjana Rykov

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Die Protokolle und die Arbeit der ČGK werden seit knapp zwei Jahrzehnten intensiv in der historischen Forschung diskutiert. Sie stellen zwar eine erste Bestandsaufnahme der Menschheitsverbrechen während der Besatzungszeit dar, allerdings können sie weder als vollständig noch als frei von staatlichen Interessen bezeichnet werden. Siehe dazu unter anderem Karner, Arbeit und Instrumentalisierung und Pohl, einheimische Forschungen. 

2 Vgl. Protokoll der ČGK, S. 3.

3 Vgl. Protokoll der ČGK, S. 2f.

4 Vgl. Protokoll der ČGK, S. 3.

5 Vgl. Protokoll der ČGK, S. 3f.

6 Vgl. Dalhouski, Transformation, S. 118.