Deportationstransporte von Wien nach Malyj Trostenez

Ab Mitte Mai 1942 verließen die ersten Deportationszüge Wien, jeweils mit ca. 1000 Personen. Insgesamt wurden in 10 Transporten 9.735 Menschen deportiert. Sie wurden direkt nach ihrer Ankunft in Minsk nach Maly Trostenez gebracht und die meisten dort im Wald erschossen. Nur wenige wurden zur Zwangsarbeit verpflichtet, lediglich 17 Überlebende aus Wien sind bekannt.

Von den Sammellagern in Wien fand der Transport mit offenen Lastkraftwagen statt, diese fuhren über den Schwedenplatz, die Ringstraße und die Ungarstraße zum Aspangbahnhof, von wo die Transporte in Richtung Malyj Trostenez losfuhren. Emil Gottesmann beschreibt dies wie folgt: 

„Vom Lager aus sind sie auf den Bahnhof geführt worden, in Lastautos. Die Autos hat man durch die Straßen Wiens geführt, das war schon bekannt, man hat das gesehen. Die Autos waren hinten offen, da hat man gesehen, dass da Leute drinnen sitzen. Am Aspang-Bahnhof im 3. Bezirk war eine ganze Zugsgarnitur für die ca. 1000 Leute vom Transport. Der Aspang-Bahnhof war für solche Transporte bestimmt. So ein Transport ist alle 14 Tage gegangen, da war der ganze Bahnhof irgendwie abgesperrt. Die Verladung und so weiter hat sich ja in ein paar Stunden abgespielt, dann war das erledigt. [...]“ [1]

Deportationstransport vom 6. Mai 1942

Bereits ab Mittag wurden die zur Deportation ausgewählten Personen zum Einsteigen in die Waggons gezwungen, die Abfahrt des Zuges erfolgte am Abend gegen 19 Uhr. Nach mehr als zwei vollen Tagen kam der Zug spät abends im Bahnhof Volkovysk an, die Deportierten mussten den Zug verlassen und in Viehwaggons umsteigen. Dieser in den Berichten der Schutzpolizei als „Umwaggonierung“ bezeichnete Vorgang dauerte mehrere Stunden. Kurz vor 3 Uhr früh setzte sich der Zug wieder in Bewegung und erreichte am Nachmittag des 9. Mai 1942 den Bahnhof in Kojdanow. Fünf Frauen und drei Männer hatten den Transport bis dorthin nicht überlebt. Da es Samstag war - also das Wochenende - übermittelte der Sicherheitsdienst des Reichsführers SS (SD) in Minsk den Befehl, den Zug in Kojdanow abzustellen. Erst am Montag legte der Zug die letzten rund 50 Kilometer bis nach Minsk zurück, von wo die Menschen mit Lastwagen nach Malyj Trostenez gebracht wurden.

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Erfahrungsbericht der Bewachungsmannschaft

Wie die Verhältnisse in den Deportationszügen von Wien nach Malyj Trostenez waren, kann man sich kaum vorstellen. Doch einige Quellen dokumentieren die Umstände jener Deportationen und lassen uns erahnen, wie die zahlreichen Zwangsdeportierten den Weg zu ihrer Ermordung erlebt haben mögen. So wissen wir, dass bereits vor der Abfahrt den Menschen ihr Gepäck abgenommen wurde und sie dicht gedrängt, ohne ihre Besitztümer, die mehrtägige Fahrt in Waggons verbringen mussten, wo sie der Witterung ungeschützt ausgesetzt waren. Zeugenaussagen berichteten von extremer Kälte bzw. Hitze und von einer mangelnden Versorgung mit Wasser, die abhängig war von der Laune der Wachmannschaft. Darüber hinaus herrschte auch ein hohes Maß an physischer sowie psychischer Gewalt, die bereits auf dem Weg zum Vernichtungsort Malyj Trostenez seine Opfer forderte. Eindrucksvoll schildert diese bedrückenden Verhältnisse Wolf Seiler, der am 6.Mai 1942 nach Malyj Trostenez deportiert wurde und überlebte, in seinem Bericht wie folgend:

“Viele, die sich nicht so schnell zurechtfinden konnten bekamen die Stiefel der SS zu spüren, und alte Gebrechliche blieben unter den Knüppelschlägen auf dem Bahnsteig liegen. - In dieser Nacht hatten viele den Verstand verloren - waren irrsinnig geworden. Die Transportleitung gab den Auftrag sämtliche irrsinnig Gewordene in einen separaten Waggon zu sperren. Was sich in diesem Waggon abspielte ist nahezu unbeschreiblich."[2] 

Quelle: 

[1] DÖW - Erinnern - Biographien - Erzählte Geschichte - NS-Judenverfolgung: Deportation - Emil Gottesmann: Jeder hat gewusst, dass er drankommen wird (doew.at) (30.11.2021)

[2] Bericht eines Wiener Überlebenden (Wolf Seiler), o. D. (DÖW 854, Transkript mit Erläuterungen beigefügt), S.1, https://www.doew.at/cms/download/6kqj3/854-2.pdf.

Deportationstransporte von Wien nach Malyj Trostenez