„Kommissionierungen"

Bei den sogenannten Kommissionierungen wurde entschieden, ob die in den Sammellagern untergebrachten Jüdinnen und Juden deportiert, zurückgestellt oder entlassen wurden. Leiter der Kommissionierungen war Anton Brunner (Brunner II) für die „Zentralstelle für jüdische Auswanderung“. Er und seine Mitarbeiter misshandelten und demütigten die Jüdinnen und Juden bei dem Auswahlverfahren zutiefst. Oft wurde wahllos darüber entschieden, wer bleiben darf und wer gehen musste, und die Mitarbeiter bereicherten sich am Hab und Gut der Opfer oder zerrissen Dokumente. Über Anton Brunner berichtete Otto Kalwo, Deggendorf, 23. August 1945:

„Er bestimmt, ob du oder du morgen ins Elend fährst.“

Anton Brunner war bereits ab 1939 als Mitarbeiter in der „Zentralstelle der jüdischen Auswanderung“ tätig. Er führte mindestens 48 Kommissionierungen durch und war für die Deportation von insgesamt 48.000 Menschen verantwortlich.

Ernst Weiss

Als Primärquelle für die Rolle Brunners II kann etwa die Zeugenaussage von Ernst Weiss herangezogen werden. Dieser wurde zeugenschaftlich von der österreichischen Staatspolizei am 13.08.1945 einvernommen. Er führte darin aus, dass Anton Brunner versucht habe, ihn mit List und Druck dazu zu bringen ein Schreiben zu unterzeichnen, in welchem stand, dass sich seine Ehefrau von ihm scheiden lassen wolle. Dies sei jedoch unrichtig gewesen. Da seine Ehefrau jedoch „Arierin“ gewesen sei, habe ihn Brunner nicht deportieren lassen können.

Jedoch wurde die Mutter von Ernst Weiss von Brunner nach Theresienstadt deportiert.[1] Auch Ella Pörner, welche mit einem „Arier“ verheiratet gewesen war (Mischehe) wurde nach Theresienstadt verschickt.[2]

Zeugenaussage Weiss.jpg

Zeugenaussage von Ernst Weiss 

Lily Müller 

Einem Schreiben von Lily Müller, welches diese an die Wiener Staatspolizei richtete, ist zu entnehmen, dass Brunner II auch nicht davor zurück schreckte, Ausländerinnen und Ausländer zu verschicken. So wurde von ihm die griechische Staatsangehörige Regina Nordo nach Theresienstadt deportiert.[3] Eine weitere interessante Primärquelle ist die Anklageschrift gegen Anton Brunner der Staatsanwaltschaft Wien unter dem Aktenzeichen 15 St 12351/45. Darin wurde Brunner II vorgeworfen, er habe an der Aussiedlung von etwa 49.000 Menschen mitgewirkt und er sei für den Tod vieler Menschen verantwortlich gewesen.[4] Anton Brunner wurde am 10.05.1946 zum Tode verurteilt[5] dieses Urteil wurde am 24. 05.1946 vollstreckt.[6]

tn.php.jpeg

Schreiben der Lily Müller

Quellen:

[1] Vgl. Niederschrift des Juden Ernst Weiss. Dokumentationsarchiv des österreichischen Widerstandes. Zeugenaussage des Ernst Weiss vom 13.August 1945, https://ausstellung.de.doew.at/dokumente/200605181349_n_42.pdf, Zugriff: 29.03.2021.

[2] Vgl. Anzeige von Josef und Selma Gaulhofer. Dokumentationsarchiv des österreichischen Widerstandes. Zeugenaussage des Ernst Weiss vom 13.August 1945, https://ausstellung.de.doew.at/dokumente/200605181349_n_42.pdf, Zugriff: 29.03.2021.

[3] Vgl.Schreiben der Lily Müller. Dokumentationsarchiv des österreichischen Widerstandes. Zeugenaussage des Ernst Weiss vom 13.August 1945, URL: https://ausstellung.de.doew.at/dokumente/200605181349_n_42.pdf, Zugriff: 29.03.2021.

[4] Vgl. Dokumentationsarchiv des österreichischen Widerstandes. Anklageschrift Anton Brunner, https://ausstellung.de.doew.at/dokumente/200605181352_n_44.pdf, Zugriff 29.03.2021.

[5] Vgl. Urteil: LG Wien Vg 1 g Vr 4574/45.

[6] Vgl. Dokumentationsarchiv des österreichischen Widerstandes. Anklageschrift Anton Brunner, http://de.doew.braintrust.at/b140.html, Zugriff: 19.06.2021.