Maly Trascjanec in der postsowjetischen Erinnerungskultur

Bis in die 1990er Jahre hinein waren das Lager Maly Trascjanec und die Exekutionsstätte Blahaǔščyna in Westeuropa nahezu unbekannt. Im Jahr 1998 standen lediglich die Erinnerungsorte, die in den 60er Jahren entstanden waren, unter Denkmalschutz.

In den 1990er Jahren befanden sich in unmittelbarer Nähe der ehemaligen Erschießungsstätte in Blahaǔščyna ein Truppenübungsplatz und eine Mülldeponie; die Waldlichtung auf der tausende Menschen ermordet worden waren, war nahezu zugewachsen.1 Erst im Verlauf des Jahrzehnts entdeckten deutschsprachige Tourist:innen den bis zur Unkenntlichkeit transformierten Ort als historisches Reiseziel. Einfluss auf diese Entwicklung hatte die Veröffentlichung des Buches „Ich wundere mich, daß ich noch lebe“2 von Paul Kohl aus dem Jahr 1990. In seinem Werk bezeichnet er das Lager Maly Trascjanec als das "Auschwitz von Belarus".3

Aufgrund des öffentlichen Interesses im Ausland und der Auseinandersetzung mit der eigenen Geschichte, entschieden die Minsker Behörden, Denkmalschutzgebiete zum Erhalt des Lagerkomplexes zu benennen. Hervorzuheben für die Transformation von Maly Trascjanec zum Erinnerungsort ist auch die 1993 gegründete Bürgerinitiative „Geschichte und Erinnerungsstiftung Trostenez“.4 Ihr Vorsitzender, Jauhen Cumarau, war zwischen 1990 und 1996 Abgeordneter im Obersten Rat der Republik Belarus. Die Initiative engagierte sich für die Errichtung eines historischen Denkmalschutzgebietes mit Museum und einem Mahnmalkomplex. Dabei erhielten sie Unterstützung vom Obersten Rat, sowie finanzielle Förderungen aus Deutschland und Israel.5 Das Ende der 1990er Jahre gegründete Organisationskomitee für die Gedenkstätte Blahaǔščyna half bei der Transformation des Gebietes in einen Erinnerungsort. In Zusammenarbeit und Austausch mit ausländischen Stellen wurde die Lage der Vernichtungsstätte ermittelt und der Versuch unternommen, die umstrittenen Opferzahlen zu präzisieren.6

                                                

1 Vgl. Dalhouski, Zur Transformation des sowjetischen Gedenkortes, S. 122.

2 Kohl, Paul: „Ich wundere mich, daß ich noch lebe“. Sowjetische Augenzeugen berichten, Gütersloh: Gütersloher Verlagshaus 1990, S. 91.

3 Vgl. Dalhouski, Zur Transformation des sowjetischen Gedenkortes, S. 122.

4 Ebd.

5 Vgl. ebd.

6 Vgl. ebd.