Zeugnisse der Vernichtung

Neben den materiellen Überresten der Opfer von Malyj Trostenez finden sich auch die Zeugnisse der Vernichtung tausender Menschen im archäologischen Fundgut. Insgesamt sechs Pistolen- bzw. Gewehrhülsen, hergestellt zwischen 1931–1941, wurden in unmittelbarer Nähe der Grabstätten gefunden und verdeutlichen die Art und Weise, wie die Vernichtung in Malyj Trostenez von der SS und der Schutzpolizei durchgeführt wurde. Nach der Anklageschrift des Oberstaatsanwalts Koblenz gegen Georg Wilhelm Heuser u.a. wurden die Gefangenen mittels Pistole durch Genickschuss getötet. Dieser Tathergang wird durch die 4 Pistolenhülsen aus den Grabstätten bestätigt, aber die Gewehrhülsen zeigen, dass auch andere Waffen für die Ermordung verwendet wurden.

Die Hülsen stammen von unterschiedlichen Herstellern und verdeutlichen damit, wie stark die deutsche Wirtschaft während des nationalsozialistischen Regimes aus allen Landesteilen die Rüstung am Laufen hielt. Ab 1941/42 wurden auch vermehrt Insassen von Konzentrationslagern als Sklavenarbeiterinnen und Sklavenarbeit in den Industriekomplexen eingesetzt um die fehlenden Arbeiter, welche in den Krieg gezogen waren, zu ersetzen. Die Produzenten der präsentierten Hülsen stellten bis zum Ende des Krieges auch Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeiter ein, die Munition produzieren mussten, welche anschließend von den Nationalsozialisten für den Krieg oder für die Vernichtung tausender Menschen verwendet wurden.

2 Pistolenhülsen, Kaliber 9x19mm

Zwei Pistolenhülsen des Kalibers 9x19mm. Diese passten zu den Waffentypen Parabellum oder Bochardt-Luger. Produziert wurde die Munition unter anderem von Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeiter. Das Werk in Skarzysko Kamiena im heutigen Polen besaß ein Judenzwangsarbeiterlager, und hier wurden ab 1941 jüdische Gefangene gezwungen, Munition für den Krieg zu produzieren.

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Datierung: 1938/ 1941

Fundort: Boden, neben Grabstätte 4-5

Beschriftung: "23 38 P" / "19 41 KAM 67" 

Herkunftsort: P: Polte OGH; Werk Magdeburg / KAM: Hasag, Eisen-u. Metallwerke GmbH., Werk Skarzysko Maniena 

Material: Vermutlich Messing 

2 Pistolenhülsen, Kaliber 7,65x17mm

Zwei Pistolenhülsen der Hersteller  Gustav Genschow & Co. AG und Rheinisch-Westfälische Sprengstoff-Actien-Gesellschaft. Anhand der Beschriftungen kann man die Kalibergröße ablesen. Die Patronen passten zu den Waffen Walther PKK oder Browning M1900.

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Datierung: ? 

Fundort: Östlicher Teil der Grabstätte 32 

Beschriftung: „7,65 GECO“ / „7,65 RWS“

Herkunftsort: GECO: Gustav Genschow & Co. AG / RWS: Rheinisch-Westfälische Sprengstoff-Actien-Gesellschaft

Material: Vermutlich Messing 

2 Gewehrhülsen, Kaliber 7,92x57mm

Zwei Gewehrhülsen, passend zu der Waffe Mauser 98K. Die erste Hülse wurde 1931 produziert, also noch bevor Hitler Reichskanzler wurde. Der Produzent der zweiten Hülse war eine Zweigstelle der bereits erwähnten Polte-Werke in Magdeburg und bestand bereits vor dem 2. Weltkrieg. Ab 1942 produzierte sie vor allem Infanterie- und Flakmunition. Auch hier wurden, ähnlich wie in Skarzysko Kamienna, Zwangsarbeiterinnen eingesetzt und 1944 wurde in der Nähe ein Außenlager des Konzentrationslagers Neuengamme eingerichtet. Dort waren etwa 3000 Frauen inhaftiert, welche in 12 Stundenschichten in der Fabrik arbeiten mussten. [1]

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Datierung: 1931 / 1939 

Fundort: Boden, neben Grabstätte 4-5

Beschriftung: „*31 N 67“ / „8 39 P131 S“

Herkunftsort: N: ? / P131: Draht-u. Metallwarenfabriken GmbH

Material: Vermutlich Messing 

Quellen:

Dietrich Eichholtz: Geschichte der deutschen Kriegswirtschaft 1939-1945. Band I: 1939-1941. München 1999.

  • Eichholtz 1999b

Dietrich Eichholtz: Geschichte der deutschen Kriegswirtschaft 1939-1945. Band II: 1941-1943. Teil I. München 1999.

  • Felicja Karay: Death Comes in Yellow. Skarzysko-Kamienna Slave Labor Camp. Amsterdam 1996.
  • Salzwedel, online unter: https://www.kz-gedenkstaette-neuengamme.de/geschichte/kz-aussenlager/ aussenlagerliste/salzwedel/ (Zugriff am 27.05.2021)
  • http://www.detektorforum.de/smf/militaria/hulsen_und_bodenstempel_bestimmen-t40918.0.html (Zugriff am 27.06.2021)