Wachsendes Bedürfnis nach Erinnerung

In den 90er Jahren – nach dem Fall des Eisernen Vorhangs – wurde die Forderung nach einer öffentlichen Gedenkkultur und Würdigung der Opfer des Vernichtungsortes Maly Trascjanec immer lauter. 

Abb. 4 Gedenkstein in Blagowschtschina, 12.09.2017.jpg

Gedenkstein bei Blahaǔščyna Mitte der 2000er Jahre

Anfang der 1990er Jahre, nach dem Zerfall der Sowjetunion und der Ausrufung der Republik Belarus, beschloß die Stadt Minsk, Denkmalschutzgebiete zu erschaffen. Als Reaktion darauf stießen Zivilakteur:innen vor und forderten, dass auch das ehemalige Lagergelände in Maly Trascjanec und Blahaǔščyna unter Schutz gestellt werden – mit Erfolg. 1993 gründete sich die Bürgerinitiative "Geschichts- und Erinnerungsstiftung Trostinez" mit Jaŭhen Camaraŭ im Vorsitz.¹ Er setzte sich gezielt für die belarusisch-deutsch-israelische Zusammenarbeit ein. Trotz der Bemühungen der Bürgerinitiative und der Nähe zum belarusischen Parlament konnte zwischen 1994 und 1999 lediglich ein Konzeptentwurf für eine Gedenkstätte fertiggestellt werden.²

Mit dem Erscheinen des Buches "Ich wundere mich, daß ich noch lebe" von Paul Kohl im Jahr 1990 wuchs auch das europäische Interesse an dem ehemaligen Vernichtungsort. Mit dem Zerfall der Sowjetunion wurde es Hinterbliebenen der Opfer des Vernichtungsortes Maly Trascjanec möglich, mehr über die Geschichte ihrer Angehörigen zu erfahren.

Ab 1999 gab es für den Gedenkort Blahaǔščyna ein eigenes Organisationskomitee der Stadtverwaltung.³ Dieses Komitee setzte die Verlegung der Mülldeponie um, legte den Schutzbereich der Gedenkstätte fest und intensivierte die internationale Zusammenarbeit, um die Opferzahlen des Vernichtungsortes präzisieren zu können. Im Jahr 2002 wurde der erste Gedenkstein in Blahaǔščyna aufgestellt. Er erinnert an die aus Mitteleuropa deportierten jüdischen Menschen sowie Insassen des Minsker Ghettos.⁴ Mitte der 2000er Jahre existieren bereits mehrere Gedenktafeln zu Ehren der Opfer auf dem Gelände.⁵

Haus der Geschichtswerkstatt Minsk  Webside.JPG

Gebäude der Geschichtswerkstatt "Leonid Levin" Minsk

Sechs Jahre später, im Jahr 2008, wurde das Projekt der Geschichtswerkstatt Minsk ins Leben gerufen. Die Gründer:innen sind das Internationale Bildungs- und Begegnungswerk (IBB) Dortmund, die IBB Minsk sowie der Architekt Leonid Levin. Das Projekt hat seinen Sitz bis heute in einem der wenigen verbliebenen Gebäude, die im Minsker Ghetto lagen und setzt sich seit seiner Gründung in erster Linie mit dem Vernichtungsort Trascjanec sowie dem Minsker Ghetto auseinander.

Inhaltlich verantwortlich: Charlotte Vöhl

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1 Abgeordneter im belarussischen Parlament, in dessen Wahlkreis Trostenez lag.

2 Vgl. Dalhouski, Transformation, S. 122.

3 Vgl. Belarussisches Staatliches Museum der Geschichte des Großen Vaterländischen Krieges, Trostenez, S. 12.

4 Vgl. Dalhouski, Transformation, S. 124.

5 Vgl. IBB Dortmund/IBB Minsk, Der Lern- und Erinnerungsort Trostenez und die Konderenz "Gedenken für eine gemeinsame europäische Zukunft", S. 189.

6 Vgl. Geschichtswerkstatt Minsk, "Warum eine Geschichtswerkstatt in Minsk". URL: http://gwminsk.com/de/http%3A//gwminsk.com/ru/about/why [zuletzt abgerufen am 06.03.2022].