Die Transformation von Maly Trascjanec: Interaktive Karte

Der Ort Maly Trascjanec unterlag im Verlauf des letzten Jahrhunderts in vielerlei Hinsicht einschneidenden Transformationsprozessen: Er veränderte sich in Bezug auf seine Nutzung und seine erinnerungskulturelle Rezeption, aber auch topografisch sind zahlreiche Transformationen auszumachen.

Anhand von georeferenzierten Luft- und Satellitenbildern kann mithilfe einer interaktiven Karte gezeigt werden, wie sich Maly Trascjanec von 1944 bis heute verändert hat. Der vorangehende Zeitraum kann mangels Luftbildern leider nicht betrachtet werden; hier müssen die Quellen auf den Seiten "Maly Trascjanec zwischen 1941 und 1944" sprechen.

Zentrale Orte der Transformation werden untenstehend genauer betrachtet.

Tipp für den Umgang mit der Karte: Die umrandeten Bereiche sollten nicht angeklickt werden. Am besten können Transformationen in diesen Bereichen gesehen werden, wenn sich der Cursor nicht in ihnen befindet. Mögliche Fehler in der Darstellung der interaktiven Karte sind abhängig vom jeweils genutzten Internetbrowser sowie individuellen Einstellungen / installierten Add-Ons.

Das ehemalige Gelände des SD-Lagers

Pforte.jpg

Pforte der Erinnerung

Im Juli 1944 wurde das erste Luftbild des ehemaligen Lagers aufgenommen. Einige sichtbare Infrastrukturen sind bis heute erhalten geblieben, unter anderem die Straße „Ulitsa Yel’nitskaya“. Kurz nach der Aufnahme wurde das Gebiet des ehemaligen SD-Lagers wieder zu einer Kolchose umgebaut.1 Einige Straßen im zentralen Lagerbereich wurden umverlegt und im unteren Bereich des Geländes wurde ein größeres Haus errichtet. Bis in die frühen 2000er Jahre veränderte sich das ehemalige Lagergelände kaum. Die Infrastruktur des Geländes wurde in Grundzügen erweitert und auf dem Gebiet wurden teilweise noch wirtschaftliche Arbeiten verrichtet.2 Erst im Jahr 2002 wurde das Konzept für eine Gedenkstätte bei Maly Trascjanec von der belarussischen Regierung beschlossen.3 2014 – mehr als ein Jahrzehnt nach Beschluss – begann die Umsetzung des Projekts. Mitte dieses Jahres wurde das Fundament für die „Pforte der Erinnerung“ gegossen, die am 22. Juni 2015 eröffnet wurde.4 2019 wurden auf dem Gelände symbolische Barackenumrisse gelegt.

Die Waldlichtung Blahaǔščyna

Gedenkanlage Blagowschtschina / Ehemalige Erschießungsstätte

Vogelperspektive der Gedenkanlage Blahaŭščyna

Vermutlich bis zum Abzug der letzten deutschen Truppen aus Maly Trascjanec, aber mindestens bis in den Herbst 1943, wurden auf der Waldlichtung Blahaǔščyna südöstlich des ehemaligen Lagers tausende jüdische Menschen ermordet und vergraben. Im Rahmen der „Aktion 1005“ wurden sie exhumiert und verbrannt. Auf dem Luftbild aus dem Jahr 1944 lassen sich in groben Zügen noch die Umrisse der Waldlichtung erkennen, die aufgrund des Bedarfs an Feuerholz immer größer wurde. Umrisse der vermutlich 34 Massengräber sind nicht erkennbar. Über Jahrzehnte geriet die Erschießungs- und Vernichtungsstätte in Vergessenheit und die Lichtung begann langsam wieder zuzuwachsen. Die Flächen neben der Waldlichtung wurden an das sowjetische Verteidigungsministerium übergeben; auf ihnen entstand ein Artillerie-Übungsplatz. 1958 wurde in unmittelbarer Nähe der Erschießungsstätte eine Mülldeponie angelegt.5 Zwischen 1972 und 1975 wurde ein Verbindungsweg zwischen zwei Landstraßen geschlagen, der inmitten der Erschießungsstelle verlief. 2017 war die Waldlichtung nahezu komplett zugewachsen, als die Arbeiten am Gedenkfriedhof Blahaǔščyna begannen.6 Nach Vorbild der Skizze der Außerordentlichen Staatlichen Kommission wurden die neu gewachsenen Bäume gefällt und das Gelände oberflächlich umgegraben. Aus Beton wurden symbolische Erschießungsgräben gegossen, die das Ausmaß der Ermordungen visualisieren sollen. Ebenfalls im Jahr 2017 begannen die Arbeiten am „Weg des Todes“ des Architekten Leonid Lewin. Im Jahr 2018 wurde die Anlage eingeweiht.

Šaškoǔka

Gedenktafel_Schaschkowka_2000er_Archiv_GW_Minsk.jpg

Gedenktafel am Wald Šaškoǔka

Im Wald Šaškoǔka wurde im Herbst 1943 ein provisorisches Krematorium angelegt, um weniger Spuren bei der Ermordung von Menschen zu hinterlassen. Es wurde bis in den Sommer 1944 betrieben, als die deutschen Truppen von der Roten Armee zurückgedrängt wurden. Der Wald grenzte an das ehemalige Lagergelände an und veränderte sich zwischen 1944 und bis heute nur geringfügig. Zwischen 1964 und 1972 wurden einige Verkehrswege durch den Wald geschlagen, die vor allem Abkürzungen in das südlich gelegene Dorf darstellten. 1966 wurde an dem Ort des ehemaligen Krematoriums ein Gedenkstein gelegt.7 Als dritter zentraler Ort des Erinnerungskomplexes bei Maly Trascjanec sollten im Jahr 2019 die Arbeiten für einen Gedenkort bei Šaškoǔka beginnen.8 Sie wurden bis heute nicht aufgenommen.

Die Umgebung des Vernichtungsortes

Obelisk in BT von 1963.jpg

Obelisk in Vjaliki Trascjanec

In der Umgebung des historischen Vernichtungsortes Maly Trascjanec ist es zwischen 1944 bis heute ebenfalls zu Transformationen gekommen. Die wahrscheinlich einschlägigste Veränderung liegt in der zunehmenden Urbanisierung der Ortschaft. So begannen in den 1960er Jahren die Arbeiten an dem Wohnviertel Šabany westlich des ehemaligen Lagergeländes,9 zuvor wurde dieses Gelände landwirtschaftlich genutzt. Auch die Dörfer Vjaliki Trascjanec, Sosny und Jelnitsa wurden baulich erweitert. 1963 wurde im Nachbardorf Vjaliki Trascjanec ein Denkmal für die Ermordeten des Lagers Maly Trascjanec errichtet – historisch gesehen besteht allerdings kein Zusammenhang zwischen den zwei Ortschaften. Die Folge war, dass sich die Erinnerung an die Menschheitsverbrechen in Maly Trascjanec während des Nationalsozialismus geografisch verlagerte.

Inhaltlich verantwortlich: Tatjana Rykov

Georeferenzierung der Luft- und Satellitenbilder: Tatjana Rykov und Rukia Soubbotina

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1 Vgl. Dalhouski, Transformation, S. 120.

2 Vgl. ebd., S. 122.

3 Vgl. ebd., S. 124.

4 Vgl. ebd., S. 125.

5 Vgl. ebd., S. 121.

6 Vgl. ebd., S. 126.

7 Vgl. ebd., S. 121.

8 Vgl. ebd., S. 126.

9 Vgl. ebd., S. 122.