Hamburger Prozesse 1967/68
1966 traf ein anonymes Schreiben bei der Staatsanwaltschaft Hamburg ein, das zum ersten Holocaust-Prozess führt, der vor dem Hamburger Landgericht verhandelt wurde.1 Drei Mitglieder des "Sonderkommandos 1005" in Maly Trascjanec mussten sich hier verantworten: Max Krahner, Otto Drews und Otto Goldapp.
Gegenstand der Hamburger Prozesse waren die Taten, die während des Einsatzes im "Sonderkommando-1005" begangen wurden; darunter die Rekrutierung von Zwangsarbeiter:innen unter falschen Versprechungen, die Anleitung zur Exhumierung von Massengräbern und die Ermordung der Zwangsarbeiter:innen durch Erschießungen oder Vergasung. Die geladenen Zeugen waren ebenfalls Mitglieder des "Sonderkommandos"; darunter Adolf Rübe, Erich Ehrlinger, Friedrich Seekel und Arthur Harder.
Während der Prozesse kam es zur Gegenüberstellung von geständigen und weniger geständigen Angeklagten sowie Zeugen. Die folgenden Ausschnitte geben einen punktierten Einblick in die Verhandlungen.
Max Krahner gab in einer der ersten Vernehmungen an, dass ihm bekannt sei, dass das Verfahren die Erschießung der Arbeiter:innen des "Sonderkommandos 1005" behandelte.2 Weiterhin war ihm bekannt, welcher Zeitraum Gegenstand des Verfahrens war: Ende 1943 bis Sommer 1944.3 Krahner gab an, dass er auf Befehl von Erich Ehrlinger, dem Befehlshaber der Sicherheitspolizei und des SD in Weißruthenien, zum Führer des "Sonderkommandos 1005-Mitte" ernannt worden sei.4 Das habe er nicht freiwillig entschieden, sondern das sei ein Befehl gewesen.5 Auch gab er bereits zu Beginn zu, dass er von der Tötung der Arbeitskräfte wusste:
„Ich weiß heute nicht mehr, wer mir damals bei der Übernahme des Kommandos eröffnet hat, daß die russischen Häftlinge jeweils nach getaner Arbeit zu töten seien. Entweder ist mir das schon in Minsk von Ehrlinger oder Harder gesagt worden, oder ich habe es erst in Trostinez erfahren.“6
Otto Drews sagte aus, dass Krahner für die Enterdungen verantwortlich gewesen sein soll.7 Damit bestätigte er Krahners eigene Aussage. Zu seinem Mitangeklagten Otto Goldapp sagte Max Krahner:
„Auf die Frage, wer mich als Kommandoführer zu vertreten hatte, wenn ich aus irgendwelchen Gründen abwesend war, erkläre ich, daß das den Rangverhältnissen nach der Schupo-Oberleutnant Goldapp gewesen sein muß.“8
Alles in allem war Krahner weitestgehend geständig, wollte mit den Ermordungen aktiv jedoch nichts zu tun gehabt haben. Weniger geständig zeigte sich Otto Drews. Er sagte über seine Mitgliedschaft bei dem "Sonderkommando 1005":
„Von dem Sonderkommando 1005 habe ich bis 1945 nie etwas gehört. Ich erfuhr davon erst durch spätere Publikationen. Ich habe keinem dieser Kommandos angehört.“9
Adolf Rübe belastete ihn dahingehend allerdings schwer und sagte aus, dass Otto Drews die rechte Hand von Otto Goldapp gewesen sein soll, was beweisen würde, dass Otto Drews Mitglied des "Sonderkommandos 1005" war.
„Von den Schutzpolizisten erinnere ich mich an Leutnant Goldapp, der von der Schutzpolizeifahrzeugstaffel Hamburg stammte und an seine rechte Hand, den Schutzpolizei-Feldwebel Otto Drews aus Ostpreussen […].“10
Außerdem sagte Rübe aus, dass Drews gemeinsam mit Goldapp an der Sprengung eines Bunkers beteiligt gewesen sein soll, in dem sich Zwangsarbeiter:innen befanden.11 Goldapp hingegen sagte aus, er wäre lediglich als Polizeimeister im Dienst gewesen.12 Er hätte sich um die Instandhaltung und Bereithalten entsprechender Fahrzeuge gekümmert.13 Er erklärte bereits bei seiner ersten Vernehmung:
„Ich bestreite entschieden, mich in Polen oder sonstwo irgendwelcher strafbaren Handlungen schuldig gemacht zu haben.“14
Adolf Rübe sagte gegen Otto Goldapp aus, dass er direkt an den Erschießungen der Arbeiter der Enterdungsaktion beteiligt gewesen war. Daraufhin erwiderte Goldapp:
„Dieser Mann lügt. Es kann sich nur um Rübe handeln, diesen Banausen, der anderen eins auswischen will. Ich und meine Schutzpolizisten haben keinen Menschen umgebracht.“15
In der Folge kam es zur Genüberstellung von Adolf Rübe und Otto Goldapp: Im Vordergrund stand die Lebendverbrennung, die sich im November 1943 im Wald von Blahaǔščyna zugetragen hat:
Rübe: „Bei diesem Vorfall war ich als Zeuge zugegen. Zeugen des Vorfalles waren außerdem Goldapp und seine Männer […].“16
Goldapp: „Ich habe einen solchen Vorfall nie mitangesehen und habe auch nie davon gehört.“17
Daraufhin wurde Goldapp erklärt, dass Rübe behauptet hätte, dass Goldapp gemeinsam mit Drews einen Bunker mit Arbeitskräften gesprengt haben soll.18
Dem entgegnete Otto Goldapp: „Diese ungeheuren Beschuldigungen, die hier vorgebracht werden, sind überhaupt nicht zu glauben. Ich habe dem Rübe immer noch geglaubt, dass er noch wenigstens einen Funken Ehrgefühl im Leibe hätte, aber das hat er nicht.“19
Auf Nachfrage, ob Rübe diese Aussage korrigieren möchte, antwortet er: „Nein, ich habe meine Angaben nicht zu berichtigen, ich habe […] die reine Wahrheit gesagt.“20
Genauso beteuert aber auch Goldapp die Richtigkeit seiner Aussage: „Ich betone abschliessend noch einmal mit vollem Ernst, dass meine Angaben über den Verlauf der Enterdungsaktion richtig sind. Weder habe ich selbst dabei irgendjemand getötet noch den Befehl zu einer solche Tötung gegeben“21
Bis zum Ende der Vernehmungen blieb Goldapp bei seiner Unschuldsbeteuerung, dass er zwar dem "Sonderkommando 1005" angehört habe, aber niemals aktiv an den Erschießungen teilgenommen oder welche angeordnet habe.22
Inhaltlich verantwortlich: Johanna Schweppe
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1 Vgl. Altenmüller, 1968. Hamburger Gericht verurteilt SS-Täter, in: NDR.de, URL: https://www.ndr.de/geschichte/chronologie/1968-Hamburger-Gericht-verurteilt-SS-Taeter,nsprozess106.html [zuletzt abgerufen am 01.02.2022].
2 Vgl. StAnw Hamburg 213-12 0597-001, S.377.
3 Vgl. ebd.
4 Vgl. ebd.
5 Vgl. ebd., S.384.
6 Ebd. S.379.
7 Vgl. StAnw Hamburg 213-12 0597-003, S.399.
8 StAnw Hamburg 213-12 0597-001, S.379.
9 StAnw Hamburg 213-12 0597-020, S.11.
10 StAnw Hamburg 213-12 0597-001, S.82.
11 Vgl. ebd., S.109.
12 Vgl. ebd., S.26.
13 Vgl. ebd.
14 Ebd., S.27.
15 Ebd. S.41.
16 StAnw Hamburg 213-12 0597-020. S. 106.
17 Ebd.
18 Vgl. ebd., S.109.
19 Ebd.
20 Ebd. S.110.
21 Ebd. S.113.
22 Vgl. ebd., S.199.